ABC-Methode: Gib der Startlinien-Nervosität keine Chance!

ABC-Methode: Gib der Startlinien-Nervosität keine Chance!

Hier ist eine Technik, die dir hilft, die Angst am Renntag zu verringern, indem Du die  Situation vereinfachst und Raum schaffst, um die Erfahrung des Wettkampfs zu geniessen.

Viele Athleten kommen zu mir in die Sitzung, weil mentale Blockaden sie daran hindern, ihr spezifisches Potential zu einem bestimmten Zeitpunkt optimal abrufen zu können. Beispielsweise konnte ich mit einer professionellen Ausdauersportlerin arbeiten, deren Leistung im Training auf Gewinnerniveau lag, im Wettkampf  jedoch nicht ihren Fähigkeiten entsprach. Sie klagte über Übelkeit, Muskelverspannungen und chronisch negatives Denken. Sie hatte mehrere Rückschläge und aufgrund unzureichender Leistungen einen ihrer Sponsoren verloren. Während einer unserer Sitzungen begann sie über den Austragungsort des Rennens zu sprechen und darüber, wie überwältigt sie vom Druck der Situation war.

Sie beschrieb mir, wie einige ihrer Konkurrentinnen neue Weltrekorde aufstellen würden, wie grosse Rundfunkunternehmen die Veranstaltung im Fernsehen übertragen würden und wie ihre persönliche Bestzeit im Vergleich zu den anderen Athletinnen war. Bevor sie weiter ausholte, bat ich sie, mir mehr über den Austragungsort des Rennens zu erzählen.

Verwirrt von meiner Frage fragte sie, was ich meinte. Schliesslich antwortete ich mit den Worten: „Der Austragungsort des Rennens ist im Kern eine beliebige Asphaltstrasse mit willkürlich platzierten mobilen Toiletten auf der Strecke, in einer beliebigen Stadt, in der sich zufällig Leute bereit erklärt haben, zusammen zu laufen. Du hast vergessen, was du eigentlich tun sollst, nämlich einfach zu rennen.“ In der nächsten Saison erreichte Sie eine neue persönliche Bestzeit, und schaffte es, eine Verlängerung des Vertrags mit ihren Sponsoren zu unterzeichnen.

Die ABC-Methode kognitiver Umstrukturierung

Natürlich war es nicht ganz so einfach, aber ein Grund, warum ich diese Fallstudie liebe, ist, dass sie die Kraft der Wahrnehmung hervorhebt. Wenn wir unseren Geist nicht darin trainieren, Kontrolle über unsere Wahrnehmung auszuüben, übernimmt die Wahrnehmung die Kontrolle über unseren Geist. Blockaden entstehen durch eine negative Programmierung („Ich schaffe es ja doch nicht“, „Wenn ich nicht unter die ersten Drei komme, verliere ich den Sponsor“) oder eine negative Konditionierung (Der eigene Anspruch liegt zu hoch; Fehler werden als Misserfolge statt als Lernerfolge gesehen; Kritik statt Feedback). Das Aufheben solcher Blockaden dauert eine gewisse Zeit. Sie entfalten oftmals schon länger ihre negative Wirkung und sind entsprechend tief und fest in der Persönlichkeit verwurzelt. Mit Hilfe einer einfachen Methode, der ABC-Methode hast Du die Möglichkeit, deine Wahrnehmungsreaktionen zu beherrschen. Die ABC-Methode (oder das ABC-Modell) ist die Grundlage der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie, die von Albert Ellis entwickelt wurde. Die vorgestellte Methode beschreibt einen Prozess, wie sich neue Erlebens-, Denk- und Verhaltensweisen erlernen lassen. Als Grundlage dient die Überzeugung, dass bereits erlernte sowie übernommene Sichtweisen und Einstellungen durch Reflexion modifiziert werden können.

Diese Methode fordert dich auf, folgendes zu tun:

Phase A: Aktivierendes Ereignis: Beschreibe zunächst das aktivierende Ereignis, das die negativen Gedanken und Verhaltensweisen ausgelöst hat.

Phase B: Beliefs = Gedanken zum Ereignis A: Beschreibe dann, was das eigentliche negative, schlecht angepasste Selbstgespräch (die Bewertung des Ereignisses) ist.

Phase C: Consequences = Bewusstmachen der negativen, irrationalen, selbstschädigenden Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen: Als drittes identifizierst Du die Konsequenzen dieser negativen Gedanken, zu denen Gefühle, physiologische Empfindungen und Verhaltensweisen gehören können. Reagiere schliesslich mit rationalen Gedanken auf die automatischen negativen Gedanken.

Als ich diese Strategie bei meiner Klientin anwandte, identifizierten wir zuerst als aktivierende Ereignis das bevorstehende Rennen, für das sie trainierte. Wir begannen dann, ihre negativen Gedanken zu untersuchen. Die Idee, dass sie für negative Leistungen „bestimmt“ war, das dauernde Vergleichen mit ihren Konkurrentinnen und ihre Bedenken, dass sie im nationalen Fernsehen mit Kritik bombardiert werden würde. Als Folge ihrer negativen Gedanken hatte sie physiologische Symptome (z. B. Übelkeit, Muskelverspannungen, übermässige Herzfrequenz), die ihre Fähigkeit zu qualitativ hochwertigen Trainingseinheiten beeinträchtigte. Vor allem fühlte Sie sich in ihrer Rolle als Profisportlerin nicht wohl.

Schliesslich konnten wir rationale Reaktionen auf diese negativen Gedanken herausarbeiten, indem wir diskutierten, was tatsächlich unter ihrer Kontrolle stand, das eine pauschale Abwertung nicht zulässig ist, da sie eine nicht nachweisbare zeitliche Bewertung beinhaltet („Einmal Versager, immer Versager“) sowie der Tatsache, dass sie mehrere erfolgreiche Auftritte im Live-Fernsehen hatte und die Laufstrecke relativ einfach war.

Wie man feststellt, ob ein Gedanke negativ ist

Wenn man die ABC-Methode zum ersten Mal anwendet, kann es sein, dass man auf Widerstand stösst. Als ich meiner Klientin zum ersten Mal die Möglichkeit nahelegte, dass sie in einem Muster unrealistischen Denkens gefangen war, war sie nicht davon überzeugt, dass ihre Gedanken ihre Leistung „behinderten“. In dieser Phase ist es wichtig, das Zusammenspiel der Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen zu prüfen. Da sich alle drei Komponenten gegenseitig beeinflussen, ist es wichtig, sich die Situation noch einmal bewusst zu machen. Anhand folgender Fragen kann man seine negativen Gedanken bewerten, um eine potentielle mentale Blockade zu vermeiden:

  1. Basieren diese Gedanken auf der objektiven Realität und würden andere Personen das Ereignis auf die gleiche Weise erleben?
  2. Wie hilfreich ist dieser Denkprozess für dich? Hilft dir der Denkprozess dabei, deine Ziele zu erreichen?
  3. Unterstützen dich diese Gedanken bei der Bewältigung negativer emotionaler und physiologischer Erfahrungen?

Nutzen und Ziele der ABC-Methode

  • Destruktive Selbst- und Fremdwahrnehmung aufdecken
  • Emotionale Blockaden lösen
  • Massgeschneiderte Lösungsansätze für alternatives Handeln entwickeln
  • Bewusste Veränderungen einleiten
  • Mehr Zufriedenheit durch langfristige Einstellungsänderung erreichen
  • Hintergrundwissen für die Entstehung von Verhaltensweisen entwickeln
  • Entscheidungen treffen lernen
  • Selbstakzeptanz und Eigenverantwortlichkeit für das eigene Handeln steigern
  • Hilfe zur Selbsthilfe: Verhaltensänderungen können in Zukunft aus eigener Kraft vorgenommen werden

Von der Angst zum Bewusstsein

Die ABC-Methode betont die Fähigkeit des Menschen, belastende, irrationale, selbstschädigende Gedanken und Gefühle wahrzunehmen, diese kritisch zu hinterfragen, sie zu überwinden und daraus für die Zukunft neue Verhaltensweisen zu entwickeln.

Die Methode eignet sich insbesondere für Situationen, in denen sich der Athlet nicht zutraut, das Problem oder die Situation aus eigener Kraft zu bewältigen, obwohl er alle Fähigkeiten und Voraussetzungen dafür erfüllt. Oder er denkt, dass mit ihm „etwas nicht stimmt“ und er es „nicht schafft“, das Problem zu lösen.

Wenn der Athlet versucht, seine selbstschädigenden Gedanken mit rationalen Gedanken zu entschärfen, bedeutet dies nicht, dass diese Gedanken übermässig positiv sein müssen. In der Fallstudie, die ich zu Beginn geschildert habe, habe ich meiner Klientin nicht gesagt, dass sie die beste Athletin ist oder die Konkurrenz vernichten wird. Ich erinnerte sie einfach an die einfache Realität eines Wettkampfs und brachte einen rationalen Denkprozess in unser Gespräch ein. Wichtig ist, dass der Athlet die Verantwortung für diesen Prozess übernimmt. Dies kann bspw. dadurch erreicht werden, dass der Athlet seine Gedanken von Hand auf Papier schreibt.

Ich persönlich habe mit der ABC-Methode gute Erfahrungen bei Sportlern gemacht, die es gewohnt sind, in „normalen Situationen“ (in denen sie nicht emotional blockiert sind) sehr logisch an schwierige oder unangenehme Themen heranzugehen. Alter oder Geschlecht spielen aus meiner Sicht keine Rolle. Interessant dürfte noch die folgende Erkenntnis sein: Je grösser das intellektuelle Potential, desto raffinierter die Begründung der negativen, destruktiven Gedanken.

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