Professionelle Problemlösung mit den Hofnarren von heute

Professionelle Problemlösung mit den Hofnarren von heute

Wie Coaching  einen Ermutigungskreislauf in Gang setzt

Ins Deutsche übersetzt heisst das Wort Coach Kutsche. Im Sport wird es seit Jahrzehnten als Synonym für Trainer verwendet, seit Mitte der Achtzigerjahre versteht man darunter auch einen unabhängigen Feedbackgeber in Führungsetagen. Heute kann es fast alles heissen, doch ein Coaching im klassischen Sinn dreht sich ausschliesslich um berufliche Fragen, ist Orientierungshilfe in einer globalisierten Welt mit ständig steigenden Anforderungen. Im sportlichen Kontext soll der Coach Athleten für neue Herausforderungen fit machen, den Führungsstil, Arbeitstechniken und -methoden des Trainers verbessern oder Konflikte unter den Teammitgliedern klären.

Warum können andere ihre Ansichten besser vertreten? Warum fühlte ich mich beim letzten Gespräch mit dem Trainer so unsicher? Warum spiele ich nicht auf der Position, auf der ich wirklich spielen möchte? Warum treffe ich unter Druck die falschen Entscheidungen? Warum…? Das sind Fragen, die sich viele Sportler schon gestellt haben. Fragen, die sich manchmal tage- und wochenlang in den Hirnwindungen verfangen. Fragen auch, die mit schöner Regelmässigkeit immer wieder auftreten und entmutigen. Die Ursachen dieser Entmutigung liegen oft weit in der Vergangenheit oder gehen zurück auf kürzlich gemachte Verunsicherungen im Berufs- und Privatleben. Damit sich kein Negativkreislauf im eigenen Denken entwickelt („Ich kann nicht“ oder „Ich bin nicht gut genug“) und die Energie zur Veränderung fehlt, will Coaching einen Ermutigungskreislauf in Gang setzen. Neben der Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls („Ich kann das“, „Ich mache meine Sache gut“), soll der Betroffene sich auch etwas zutrauen („Ich schaffe das“). Die dabei gewonnene Anerkennung sich selbst gegenüber führt zu mehr Kreativität und ermutigt, weitere Vorhaben zu planen und zu verwirklichen.

Verantwortlich für solche Aha-Erlebnisse sind neben Rollenspielen häufig Fragen des Coachs, die sich der Sportler oder der Trainer so noch nie gestellt hat. Tut der Fachmann seine Arbeit gut, findet der Klient die Lösung danach von selbst. So ist laut dem deutschen Coaching-Experten Christopher Rauen der Coach der „Hofnarr von heute, der dafür bezahlt wird, schonungslos zu fragen, unbeirrt nachzuhaken, blinde Flecken zu suchen und das Unvorstellbare zu denken“. Die Bezeichnung passt auch aus einem anderen Grund: In der Chefetage traut sich in der Regel nur noch der Coach, Kontra zu geben oder unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Umgekehrt können viele Trainer und Führungskräfte nur mit einem Coach offen über Zweifel und Probleme sprechen. Die Abgründe, die sich in mancher Sitzung auftun können, sind tief: Angst vor Entlassung, Mobbing, Burn-out, Depressionen, Suchtprobleme. Der Coach hilft dabei, solche Probleme zu erkennen. Behandeln kann er sie nicht, weil sich seine Dienstleistung klar von einer Therapie unterscheidet. Ein Coach ist kein Psychotherapeut. Er ist auch keine beste Freundin, die mit gut gemeinten Ratschlägen helfen will. Ein Coach arbeitet mit psychisch gesunden Frauen und Männern, die Veränderungen selbst herbeiführen können. Dank Distanz zum Kunden kann ein Coach eine Situation neutral beurteilen. Er erteilt keine Ratschläge. Sein Job ist es, die richtigen Fragen zu stellen, damit der Klient selber auf die passende Lösung kommt. Vermutet er eine psychische Krankheit bei einem Klienten, wird dieser an einen Kollegen mit entsprechender therapeutischer Ausbildung verwiesen.

Die Persönlichkeit stärken

Dennoch haben viele Methoden, mit denen der Coach arbeitet, ihren Ursprung in der Psychotherapie. Sofern die Methode zum Klienten und seinem Anliegen passt und er sich darauf einlassen will, ist vieles möglich. Sehr beliebt sind Rollenspiele, die Rekonstruktion problematischer Situationen und Visualisierungen. Manchmal wird auch mit Träumen gearbeitet. Dabei geht es nicht um die analytische Deutung von Symbolen, sondern darum, was der Klient über das Traumgeschehen denkt und hineininterpretiert oder wie er die Handlung verändern würde. Wenn ein Tagtraum wahr zu werden scheint, kann ein Coaching Klarheit darüber schaffen, was man wirklich will. Es geht darum, sich selbst in der Alltagssituation wahrzunehmen, nicht einfach die Schuld bei den anderen zu suchen oder sich als Opfer der Umstände zu sehen. Der Coaching-Prozess beginnt damit, die Situation zu analysieren, seine Stärken, Fähigkeiten und Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren, so unvollkommen diese auch sein mögen. Dabei nimmt sich der Betroffene differenzierter wahr, erkennt seine Verhaltens- und Denkmuster, lernt Kritik an anderen und sich selbst zu üben, setzt sich und seinem Gegenüber Grenzen. Wer sich richtig abgrenzen kann, bleibt selbstsicher in seiner Rolle. Das ist der Ausgangspunkt, die persönlichen Stärken auszubauen, gegen aussen zu vertreten und damit bedeutend an Ausstrahlung zu gewinnen. Der Coach ermutigt den Klienten also zur Selbstverantwortung und macht ihn nicht von sich abhängig. Erst jetzt kann für den Klienten die Erkenntnis folgen, dass er nicht nur in seinem sondern im Interesse seiner Mitmenschen handelt. Dann fühlt er sich verantwortlich. Die Verantwortung wird bewusst von ihm gewählt: Er setzt sich Ziele und trifft Entscheidungen, darf „Nein“ statt „Ja“ sagen, um authentisch zu werden. Wenn er so seine Persönlichkeit stärken lernt und zu seinem Denken, Fühlen und Handeln stehen kann, hat er mehr Kraft für Eigeninitiative und für anstehende Entscheide. Er reflektiert also seinen Auftritt: Will ich es mir oder anderen recht machen? Bestimme ich oder lasse ich mich fremdbestimmen?

Mit Motivation zu mehr Mut

Mut stellt sich im Zusammenleben mit Menschen dann ein, wenn man seine Meinung vertreten kann, auch wenn an einem Kritik geübt wird. Letzteres verursacht keine Verunsicherung mehr, weil der Klient sich besser kennt und akzeptiert. Das steigert seinen Mut und sein Selbstvertrauen. Er ist motiviert, sich auf seine Ziele oder Lösungen zu konzentrieren und ist nicht mehr blockiert aufgrund negativ gemachter Erfahrungen oder Vorstellungen. Solche Prozesse der Ermutigung können – entsprechend abgestimmt – auch gut in Vereinen und Teams eingeleitet werden, denn wenn die Zusammenarbeit unter den Teammitgliedern funktionieren soll, muss transparent kommuniziert und müssen Konflikte ausgetragen werden. Die verschiedenen Wertvorstellungen und Ansichten der Teammitglieder bereichern das Team, können aber auch zu Auseinandersetzungen führen, die es konstruktiv zu lösen gilt. So erhält der Sportler Vertrauen, fühlt sich vom Trainer und der Vereinsleitung geschätzt und ist offen für Veränderungsprozesse.

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